1. Sylvia Weigelt. Sibylle von Kleve. Cranachs schönes Modell.
Wartburg Verlag. Weimar und Eisenach 2012 und Museum Kunstpalast Düsseldorf. Cranach. Meister-Marke-Moderne. Ausstellung vom 8.4.-30.7.2017.
Katalog.
Cranachs schönes Modell
„Sensationelle Ausstellung“ titelte die Kölnische Rundschau. Eine „opulente Schau“ sahen die FAZ und die Süddeutsche. Der Saarbrücker Zeitung fielen „Luther und die Nackedeis“ ins Auge. Rund 200 teilweise noch nie öffentlich gezeigte Werke hat das Museum Kunstpalast Düsseldorf im Reformationsjahr für die Ausstellung „Cranach. Meister-Marke-Moderne" zusammen getragen und präsentiert sie eindrucksvoll.
Lukas Cranach der Ältere (1472–1553) war so etwas wie der PR-Manager des Reformators Martin Luther und verbreitete mit seinen Bildern die Ideen der Reformation. Daneben besaß er das Apothekermonopol, war Bürgermeister von Wittenberg und vor allem Hofkünstler der sächsischen Kurfürsten. In dieser Funktion malte er mehrfach Sibylle (1512-1554), die Tochter Johanns III. von Kleve und Frau Johann Friedrichs von Sachsen (1503-1554), der ein eifriger Streiter für Luther war. Die beiden frühen Portraits von 1526, „Sibylle von Cleve als Braut“ von Lucas Cranach d. Ä. und „Sibylle von Cleve als Braut im grünen Kleid“ von Cranach/Werkstatt, beeindruckten Sylvia Weigelt derart, dass Sibylle als Plakat sie seit ihrer Studentenzeit in den Siebzigern begleiteten. „Wer dieses junge Mädchen war, und welches Schicksal sich hinter ihrem feinen Lächeln verbarg“, hat Weigelt später erforscht und in dem Buch „Sibylle von Kleve. Cranachs schönes Modell“ beschrieben.
Weigelt schildert, wie „das Kind vom Niederrhein“ aufwuchs und was sie bis zu ihrem vierzehnten Lebensjahr am Hof in Kleve, in der Residenz in Düsseldorf und auf Schloss Burg an der Wupper erlebt hat. Ihr Vater Johann III. war der „mächtigste Fürst im Westen des Reiches“, liebte „Pracht und Prunk über alles“ und „ging mit Freude“ der Jagd nach. Eine Leidenschaft, die Sibylle mit ihrem Vater teilte, denn als Kind wurde sie bereits in das Jagdgeschehen einbezogen. Ob die bedeutenden Humanisten und Erasmus-Schüler, Heresbach und von Vlatten, von ihrem Vater an den Hofe geholt, Einfluss auf Sibylle ausübten, thematisiert Weigelt nicht. Stattdessen betont sie, Sibylle und ihren Schwestern Anna und Amalia war „der Aufenthalt in den Frauenzimmern ihrer Mutter bestimmt“. Sie wurden dort erzogen, „wie es ihrer Herkunft angemessen war“: Schreiben und Lesen, einfaches Rechnen und etwas historisches Wissen. Fremde Sprachen gehörten nicht dazu.
Im Alter von vierzehn Jahren wurde Sibylle mit den Erbprinzen von Kursachsen, Johann Friedrich, vermählt. Äußerlich unterschied sich das Paar völlig: Sibylle war von „graziler Anmut“ mit einem fein geschnittenes Gesicht und langen, rotblonden Haar. Das zeigen die Portraits Cranachs, die anlässlich der Verlobung in Burg an der Wupper 1526 entstanden sind. Johann Friedrich dagegen war ein fetter, übergewichtiger Mann, der mehr aß und trank, als ihm guttat. Derb kommentierte Luther die Trinkgewohnheiten des Kurfürsten: „Er kann wohl einen guten Trunk vertragen; seine Notdurft macht einen anderen neben ihn trunken.“ Trotz dieser Unterschiede führten Sibylle und Johann Friedrich eine „harmonische Ehe“, über die man am Tisch Luthers sprach. „Was für eine große Gabe bei Fürsten und Regenten“, urteilte Luther über die glückliche Beziehung.
Weigelt schildert die Fahrt Sibylles zur Hochzeit ins Sächsische und die acht Tage dauernden Festlichkeiten auf Schloss Hartenfels zu Torgau. Luther bemerkte über die Stadt, dass deren Bauten „in ihrer Schönheit alle aus der Antike“ übertreffen. Seine Beurteilung Torgaus überrascht nicht, denn mit dem Reformator stand Sibylle „in persönlichen Kontakt“. Die enge Beziehung zu Luther, der, wann immer es möglich war, vor dem Paar predigte, blieb nicht ohne Einfluss auf Sibylles religiöse Wandlung. Aufgewachsen und erzogen war Sibylle im alten Glauben, „im antichristlichen Papsttum“. In Sachsen bekehrte sie sich zur lutherischen Lehre und nahm das Abendmahl in beiderlei Gestalt 1528 in der Kapelle des Schlosses Torgau.
Wie ihr Gemahl empfand Sibylle überaus große Achtung und Bewunderung für Martin Luther. Sie interessiert sich für seine Schriften und erkundigte sich nach seinem persönlichen Befinden und dem seiner Frau. Die Landesherrin werde sich ihm und seinem „Weibe gegenüber alle Zeit gnädig geneigt erweisen als seine gnädigste Freundin“, versicherte sie ihm 1549. Als ihr Ehemann in Gefangenschaft des Kaisers war und sie Trost suchte, bat sie Luther und seine Frau zu sich, „um mit ihnen fröhlich zu sein“. Sibylle war Luther gegenüber offen und herzlich, vertraute ihm uneingeschränkt in privaten Angelegenheiten eben so in Fragen des Glaubens. Luther hingegen brachte seiner Landesherrin den gebotenen Respekt entgegen, blieb aber „reserviert“.
Außer Sibylles Glauben behandelt Weigelt das reglementierte Leben am kursächsischen Hof und das Verhältnis zu ihren Kindern, Johann Friedrich II. (1529-1595), Johann Wilhelm I. (1530-1573), Johann Ernst (1535) und Johann Friedrich III. (1528-1565). Wie Sibylle als „Statthalterin zu Weimar“ handelte nach dem Verlust der Kurwürde ihres Mannes und während seiner Gefangenschaft, stellt Weigelt dar und erwähnt an dieser Stelle das Sibylle zugeschriebene Klagelied „Ach Gott, mich tut verlangen / nach dem der jetzt gefangen / dem liebsten Fürsten mein“. Erst 1552 feierte das Paar in Coburg ein rührendes Wiedersehen. Nur zwei Jahre später starben beide im Abstand von vierzehn Tagen und wurden in der Stadtkirche zu Weimar beigesetzt. Aber auch „fürstliche Freuden“ kommen in der Biografie nicht zu kurz: „Das Lesen und die Jagd, Meerkatzen und Wein“ und „wie ein christliches Weib rechtmäßig gegenüber ihrem herzallerliebsten Gemahl tun soll“.
Am sächsischen Hof kennt die Autorin sich bestens aus, vor allem weiß sie, welche Aufgaben edle Frauen an den Höfen hatten und welchen Beschränkungen sie unterlagen. Hingegen stützt sie sich für die vereinigten Herzogtümer Jülich-Kleve-Berg auf eine einzige Veröffentlichung „Land im Mittelpunkt der Mächte“von 1984. Den Mittelweg zwischen dem alten Glauben und den Lehren Luthers, den Herzog Johann III. und sein Sohn Wilhelm V. verfolgten, erledigt Weigelt mit der Bemerkung, dass die Klever Kirchenreform von 1532/33 ausreichend schien, um die Missstände in der alten Kirche zu beseitigen. Die Autorin verkennt, dass man die konfessionellen Gegensätze in den vereinigten Herzogtümern mittels humanistischen Gedankengutes aufgeschlossen und verständnisvoll ausgleichen wollte. Dass Sibylle von diesen Ideen beseelt sein könnte, übergeht Weigelt, und lässt Sibylle erst nach ihrer Heirat am sächsischen Hof geistig reifen.
Angereichert wird die Biografie mit einem Exkurs „Der Maler und sein Modell“, Auszügen aus den Briefen Sibylles an „E[uer] G[naden]“, wie sie ihren Ehemann Johann Friedrich anspricht, sowie einer Stammtafel des Paares. Das Buch schließt mit einer Zeitleiste von 1472 (Lucas Cranachs Geburt in Kronach) bis 1555 (Augsburger Religionsfrieden), einem Quellenverzeichnis und Literaturhinweisen.
In der Düsseldorfer Ausstellung wird Weigelts Buch neben einem umfangreichen illustrierten Ausstellungskatalog angeboten. Wer sich für Cranach und seinem schönen Modell interessiert sowie mehr über das Leben der Frauen an Fürstenhöfen wissen möchte, trifft mit Sylvia Weigelts Buch keine schlechte Wahl. Auf jeden Fall sollte man sich die Ausstellung im Museum Kunstpalast nicht entgehen lassen.
Sylvia Weigelt. Sibylle von Kleve. Cranachs schönes Modell. Wartburg Verlag. Weimar und Eisenach 2012. ISBN 978-3-86160-254-5. 92 Seiten. 12,00 Euro
Museum Kunstpalast Düsseldorf. Cranach. Meister-Marke-Moderne. Ausstellung vom 8.4.-30.7.2017.
Katalog. Hirmer Verlag. Museumsausgabe 39,90 Euro
Sma