von J. Schulz-Marzin

Frauen um Luther und Reformatorinnen

 „Ein Weib ist freundlicher, holdseliger und kurzweiliger Geselle des Lebens. Sie sind geneigt zur Barmherzigkeit, denn sie sind von Gott dazu auch fürnehmlich geschaffen, dass sie sollen Kinder tragen“, und Martin Luther ergänzt, „der Männer Lust und Freude sein.“ Der Reformator überwindet damit die mittelalterliche Vorstellung der Kirche, dass die Frau entweder dem Vorbild Marias nacheifern und Kinder gebären oder der Sündhaftigkeit Evas verfallen ist. Mit der von Luther propagierten Gleichstellung von Mann und Frau wird zwar das Selbstbewusstsein der Frauen gestärkt, an ihrer rechtlichen und sozialen Stellung hingegen ändert sich zunächst wenig. Immerhin macht Luther einen ersten Schritt auf dem Weg zur Gleichberechtigung der Frau.

Die unterschiedlichen Lebenswege der Frauen, die aus dem direkten Umfeld Luther stammen und die uns Sylvia Weigelt in ihrem Buch unvoreingenommen vorstellt, spiegeln die Verhältnisse und Bedingungen wider, die das Leben im 16 Jahrhundert prägten und denen sich die Frauen stellen mussten. Die Bandbreite der Personen reicht von der Mutter und der geliebten Tochter, zu der zwangsweise gewordenen Nonne und der fürstlichen Mätresse bis zur machtbewussten Herzogin und der innig liebenden Fürstin. Nach all den vielen Männern der Reformation, ob Luther, Melanchthon, Jonas, Cruziger und Cranach, beschäftigt sich Weigelt endlich einmal mit deren Ehefrauen und belegt, dass ohne sie Haus und Haushalt, Staaten und Gemeinden zusammenstürzen würden. Was selbst Luther feststellte: „Die Welt kann die Frauen nicht entbehren, selbst wenn die Männer allein die Kinder bekämen.

Im Zentrum von Weigelts Biografien steht Katharina von Bora (1499-1552), Luthers „Herzliebchen“. Aus einer Vernunftehe mit „der schönsten Nonne einer“, so Luthers Freund Nikolaus von Amtsdorf, sei eine innige Liebesbeziehung geworden, die beide trotz aller Widerstände und Bedenken als ein großes Glück empfanden. Weigelt schildert, wie Katharina sich um die Kinder gesorgt und den umfangreichen Haushalt sowie dessen Finanzierung organisiert hat und wie sie neben Ehefrau, Mutter und Hauswirtschafterin auch noch als Gärtnerin, Imkerin, Bäuerin und Brauerin tätig war. Auf ihr Bier verzichtete der Reformator nur ungern. „Die Lutherin stand zudem in dem Ruf, eine gute Krankenpflegerin zu sein.“ Das veranlasste z. B. Elisabeth von Braunschweig (1510-1558), deren Lebensweg als „Mutter der Reformation“ Weigelt ebenfalls darstellt, bei Katharina Heilung zu suchen. Am meisten aber wurden ihre Heilkünste von ihren Mann beansprucht.

Katharina entsprach eigentlich nicht dem Frauenbild des Reformators, der einmal bemerkte: „Es ist kein Rock, der eine Frau oder Jungfrau so übel ansteht, als wenn sie klug sein will.“ Katharina aber war gebildet und wortgewandt und sie kannte die Bibel bestens, wie Luther bezeugte: „Meine Käthe versteht die Psalmen jetzt besser als einst alle Papisten.“

Obwohl Vornamens gleich, war Katharina Hornung völlig anders als Luthers Liebste. Bei einem Fest lernte sie Joachim I. von Brandenburg (1484-1535) kennen, ließ darauf hin Mann und Kind in Stich und wurde Mätresse des Kurfürsten. Als der Ehemann ihr mit dem Messer drohte, wurde er „von Weib und Kind, von Haus und Hof, von Gut und Ehre, von Freunden und Schwägern“, wie Luther schrieb, „weggetrieben“. Anfangs bemühte sich Luther die Eheleute wieder zusammen zu bringen oder eine öffentliche Scheidung herbeizuführen. Doch der Fall erreichte ein solches Ausmaß, sodass die Verfehlungen des Kurfürsten öffentlich wurden. Vor dem Reichstag in Speyer strengte der gehörnte Ehemann einen Prozess an und für Luther ergab sich damit die Chance, einen katholischen Widersacher direkt anzugreifen.  Ob der Prozess erfolgreich oder vergeblich war, ist nicht bekannt; nur eine Akte des Prozesses hat sich erhalten. Nach Joachims Tod 1535 verliert sich die Spur Katharina Hornungs. Luther jedoch behielt das letzte Wort in dieser Angelegenheit: „Pfui und aber Pfui, welch ein schändlich , unverschämt Ding ist es mit Huren und Spitzbuben!“

Wie Luthers Käthe war Elisabeth von Meseritz eine entlaufene Nonne, die „weniger dem Ruf Luthers, als vielmehr dem des Johannes Bugenhagen (1485-1558) gefolgt war. Bei ihm, dem engen Freund des Reformators, und dessen Frau Walpurga fand sie Aufnahme und konnte im intellektuellen Umfeld Wittenbergs ihr theologische Wissen vertiefen. Dies und ihr Glaube spiegeln sich in dem Lied „Herr Christ, der einig Sohn“, das heilsgeschichtliche Aussagen mit unmittelbarer, gefühlsbetonter Innigkeit verbindet. Bis heute gehört ihr Lied zum evangelischen Kirchengesang. Elisabeth wollte nicht nur als erste evangelische Dichterin anerkannt werden, sondern träumte davon, auf der Kanzel in Wittenberg zu stehen und zu predigen. Dieses Recht, von der Kanzel Gottes Wort zu verkünden, blieb ihr und den Frauen allerdings durch die Reformatoren verwehrt.

Ihre Trauzeremonie „Wie Doktor Martinus Luther Caspar Cruzinger und Elisabeth von Meseritz Dienstag vor Viti vor der Pfarrkirche zu Wittenberg zusammengegeben hat“, wurde von Georg Spalatin (1484-1545) wörtlich festgehalten und ist bis heute in Gebrauch. Mehr als ein Dezennium an der Seite ihres Mannes, dem Gelehrten, „der viel gelehrter sei als alle Päpstlichen“, war Elisabeth nicht vergönnt. Sie starb 1535, kaum älter als Dreißig.

Weigelts Texte sind gut lesbar und verständlich geschrieben, sodass die Schicksale der „Frauen um Luther“ jedem Interessierten fassbar werden. Meist nüchtern und sachlich umkreist Weigelt ihre Heldinnen und ihre Schicksale. Rechtfertigt sie sie, scheint gelegentlich Sympathie der Autorin mit ihren Geschlechtsgenossinnen durch. Der recht klein gesetzte Druck wird durch feine Abbildungen aufgelockert. Ein Blatt mit der Literaturauswahl beschließt das gelungene Buch.

Wesentlicher kürzer und gedrängter sind die Darstellungen der „Reformatorinnen. Seit 1517“, die von Autorinnen und Autoren dargestellt werden in einem Ausstellungskatalog der Evangelischen Kirche im Rheinland. Der Katalog mit einem beiliegenden Hörbuch soll es ermöglichen, sich in „das Leben dieser spannenden Frauen“ hineinnehmen zu lassen. Ausgewählt wurden „Schriftstellerinnen, die theologisch gearbeitet haben, Herrscherinnen und Ehefrauen von Reformatoren. Den Lebensbeschreibungen sind Aufsätze zu Querschnittthemen wie „Frauen in geistlichen Ämtern“ oder „Publizistinnen der Reformation“ angefügt.

Weigelt gönnt Katharina von Bora insgesamt neunzehn eng bedruckte Seiten mit einem Bildnis, während der Lutherin in den „Reformatorinnen“ bedingt durch ein aufgelockertes Layout mit mehreren Bildern knappe vier Spalten auf einer Doppelseite zur Verfügung stehen. Die Überschrift „Entlaufene Nonne, Pfarrfrau, Unternehmerin“ umreißt bereits die Essenz der Lebensbeschreibung. „Pfarrfrau zu sein hieß damals … einem großen Betrieb vorzustehen mit Landwirtschaft, Viehzucht, Brauerei und Verköstigung“. So wurde Katharina mit Walburga Bugenhagen, Wibrandis Rosenblatt und Katharina Zell zu einer „Mitbegründerin des evangelischen Pfarrhauses“. Über die innige Beziehung und Liebe zwischen Käthe und Martin in dieser „Muss-Ehe“ erfährt der Leser weniger. Ersatzweise wird eine Schmähschrift über Katharina zitiert, die sich „wie ein Tanzmaidlein gen Wittenberg auf die hohe Schule“ begibt, sich nach einem „Katzschenknecht“ umsieht und mit dem Luther „in schnöde und offentliche Unzucht gelebt“.

Der Text über Elisabeth Cruciger (um 1500-1535) – bei Weigelt Cruziger – umfasst knappe drei Spalten auf einer Doppelseite, die aber grafisch ansprechend gestaltet ist. Die Würdigung der „Liederdichterin der Reformation“ entschädigt für den kurzen Lebensabriss: „Die Predigten der Reformatoren sind längst verklungen, aber Elisabeths Lied klingt bis heute und bringt in uns etwas zum Klingen, das Glaube, Mut und Zuversicht ausstrahlt.

Weigelt konzentriert sich auf die Frauen um Luther, während der Ausstellungskatalog auch Frauen des 19. und 20. Jahrhunderts umfasst wie Friederike und Caroline, die Ehefrauen Theodor Fliedners, Ilse Härter und Dorothee Sölle. Der rheinischen Evangelischen Kirche kommt es besonders auf das „Seit“ im Titel an, weil es „immer wieder [den Blick] in die Gegenwart und immer wieder in die Zukunft“ erlaubt. So bleiben fünf Frauen, Katharina von Bora, Elisabeth Crucinger, Argula von Grumbach, Sibylle von Jülich-Kleve-Berg und Elisabeth von Calenberg-Göttingen, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg (alle Namen in der Schreibweise des Katalogs), die sowohl von Weigelt als auch von den „Reformatorinnen“ gewürdigt werden. Die zahlreichen Bilder im Katalog unterstreichen zusätzlich die Bedeutung der Frauen, Vierzehn Seiten „Literatur, Anmerkungen, Bildnachweis“ und zum beigelegten Hörbuch beschließen den Katalog.

Zum Schluss soll eine Reformerin vom Niederrhein nicht vergessen werden: Die schöne, selbstbewusste Amalia von Neuenahr-Alpen (1539-1602). Nach ihrer ersten Heirat wechselte die katholisch Getaufte zum reformierten Glauben und engagierte sich im niederländischen Aufstand gegen die Habsburger. Durch ihren zweiten Mann wurde sie in die Auseinandersetzungen zwischen Lutheranern und Calvinisten verwickelt. Als nach der Vertreibung der Spanier vom Niederrhein Amalia Landesherrin der Herrschaft Alpen wurde, machte sie hier die Gegenreformation rückgängig und bekehrte Alpen zum reformatorischen Bekenntnis. 1602 legte sie den Grundstein zur ersten reformierten Kirche in Deutschland. Dort bewahren ein prächtiges Wandgrab in ihrer Kirche und eine beachtliches Denkmal die Erinnerung an Amalia, die wegen ihrer „Autonomie, Tatkraft und inneren Stärke“ zu den 'femmes fortes' der frühen Neuzeit zu rechnen ist.

Reformatorinnen. Seit 1517. Hg. von der Evangelischen Kirche im Rheinland. Düsseldorf o. J. 72 Seiten. 10,00 Euro

Silvia Weigelt. Der Männer Lust und Freude sein. Frauen um Luther. Wartburg Verlag. Weimar und Eisenach 2011. ISBN 978-3-86160-241-5. 160 Seiten. 14,00 Euro

 

Stadtarchiv | Museum Voswinckelshof