2. Der Geteilte Himmel. Reformation und religiöse Vielfalt an Rhein und Ruhr.
Ruhr Museum auf Zollverein in Essen. 3. April bis 31. Oktober 2017.
Katalog. Klartext Verlag Essen 2017.

von Joachim Marzin

Der geteilte Himmel

            „Unter uns gesagt“, bemerkt Johann Wolfgang Goethe zur Reformation, „ist an der ganzen Sache nichts interessant als Luthers Charakter, und auch das einzige, was der Menge eigentlich imponiert. Alles andere ist ein verworrener Handel, wie er uns täglich zur Last fällt.“ Zum Reformator Martin Luther erfährt der Besucher der Ausstellung Der Geteilte Himmel. Reformation und religiöse Vielfalt an Rhein und Ruhr im Ruhr Museum auf Zollverein in Essen fast nichts. Dafür umso mehr von dem verworrenen Handeln: Den Auswirkungen der Reformation auf Glaubensrichtungen und Religionen der Menschen an Rhein, Lippe, Emscher und Ruhr und  Religionsgeschichte seit dem sechzehnten Jahrhundert.

            Wahrlich ein titanisches Unterfangen, allein was den Zeitraum betrifft. Schon die Summe der Exponate ist beeindruckend. Wie Heinrich Grütter, Leiter des Ruhr Museums, in seiner Eröffnungsrede betonte, ist es, was die Zahl der Exponate betrifft, die bisher umfangreichste Ausstellung des Museums. Der Katalog mit unzähligen schwarz-weiß und farbigen Abbildungen zumindest kommt mit 408 Seiten entsprechend gewichtig daher.

            Zu den Leihgebern der Ausstellung gehört auch das Stadtarchiv Dinslaken. Unter dem Ausstellungskapitel Fürsorge wird das israelitische Waisenhaus vorgestellt und die Festschrift zu dessen fünfzigjährigen Jubiläum gezeigt. Die Evangelische Kirchengemeinde Dinslaken hat einen Abendmahlsbecher der reformierten Gemeinde von 1653 ausgeliehen (Kat.-Nr. 3.1.48).

            Allerdings kommt die in den vereinigten Herzogtümern Kleve-Berg Jülich betriebene kirchliche Reformpolitik in der Ausstellung etwas kurz, besonders die Handlungen und Taten der in herzoglichen Diensten stehenden Humanisten wie dem Theologen und Juristen Konrad Heresbach (1496-1576), dem Erasmus-Intimus Johann von Vlatten (1498-1562), den Ärzten Johann Weyer (1516-1588), der vor allem als Bekämpfer des Hexenwahns berühmt wurde, und Reiner Solenander (1524-1601), dem Kartografen Gerhard Mercator (1512-1594) und dem Humanisten und Pädagogen Steven Pigge (1520-1604). Die 1532 erlassene Klever Kirchenordnung gilt als Zeugnis des rheinischen „reformkatholischen Sonderwegs“. Dieser kirchenpolitische Mittelweg trug dazu bei, dass die Gegenreformation am Niederrhein erst spät wirksam wurde.

            Die Reformierten, die sich theologisch an Johannes Calvin (1509-1564) orientierten und mehr als die Lutheraner den Gegensatz zur alten Kirche betonten, konnten sich gegen Katholiken und Lutheranern behaupten, als die Obrigkeit in Kleve-Berg-Jülich seit 1567 ihre auf Ausgleich bedachte Kirchenpolitik allmählich änderte. Diese Politik hat jedoch entscheidend dazu beigetragen, dass sich im Westen „Konfessionalisierung von unten“ vollzog und in vielen Orten drei Konfessionen nebeneinander existierten [Vgl. Klaus Müller: Die Rheinlande bis zum Ausbruch des Jülich-klevischen Erbfolgestreits (1521-1609). In: www.rheinische-geschichte.lvr.de]

            Am Beispiel der vereinigten Herzogtümer ließe sich darstellen, dass Territorialherr, Städte und vor allem Bürger Träger der Reformation waren. Gerade die Hingabefähigkeit der Bürger kommt in der Ausstellung und im Katalog jedoch zu kurz; das gilt übrigens auch für die Rolle der Frauen während der Reformation.

            Nach rund einem Drittel rückt die Ausstellung und der Katalog von der Reformation ab und die Darstellung der religiösen Vielfalt, die „vor allem aus der Migration“ erwächst, gewinnt an Bedeutung. An Rhein und Ruhr zählen wir, so im Vorwort des Schirmherrn Norbert Lammert, „mehr als 230 unterschiedliche Kirchen und Religionsgemeinschaften“. Der geteilte Himmel ist, wie es der Leiter der Ausstellung und Herausgeber des Kataloges, Heinrich Grütter, hervorhebt, „keine reine Ausstellung zur Reformation und ihren Auswirkungen auf die Rhein-Ruhr-Region, sondern zur religiösen Vielfalt und dem Zusammenleben der Religionen in unserem Land.“

            Ein Besuch der Ausstellung, die im Begleitprogramm zahlreiche weitere Veranstaltungen anbietet, ist lohnenswert und macht „bei allen Unterschieden in Glaubensangelegenheiten das Verbindende bewusst“.

Der Geteilte Himmel. Reformation und religiöse Vielfalt an Rhein und Ruhr. Ruhr Museum auf Zollverein in Essen. 3. April bis 31. Oktober 2017.

Katalog. Klartext Verlag Essen 2017. ISBN 978-3-8375-1751. 408 Seiten. 24,95 Euro

Stadtarchiv | Museum Voswinckelshof