Ausstellung „1517 - Krefeld und die Reformation“
vom 12. März bis 3. September 2017

von Joachim Schulz-Marzin

Nichts außer Büchern

            Das „Buch des Lebens“ erwähnt Paulus gegenüber seinen Gehilfen. Er meint das Buch, in dem der Herr die Gerechten anschreibt und aus dem er die Sünder tilgt. Dieses Buch, in 2. Moses 32 erwähnt, wird in der Ausstellung „1517 - Krefeld und die Reformation“ vom 12.März bis 3. September 2017 nicht gezeigt. Aber 58 von 64 Exponaten sind Bücher. Eine Ausstellung kostbarster Bücher, die das Museum Burg Linn zusammen getragen und darüber anderes vernachlässigt hat.

            Die Ausstellung ist in sieben Themenbereiche gegliedert: Sie beginnt mit „Reformation“ und „Katholische Reform und Gegenreformation“, behandelt die Kölner Ereignisse um Hermann von Wied und Johann Gerhard von Truchsess von Waldburg (Thema 3 und 4), befasst sich mit Zwinglianern, Calvinisten, Hugenotten, Täufern, Mennoniten, Hutterern, Waldenser und Anglikanern (Thema 5-7) und erreicht zum Schluss „Krefeld und die Reformation“.

            In der versteckt ausliegenden Beschreibung der Exponate erfolgt zu den ersten sechs Themenbereichen eine knappe Erläuterung. Jedoch, als es um den Kern der Ausstellung „Krefeld und die Reformation“ geht, fehlt sie. Es wird nicht offensichtlich, wo Thema 7 endet und die Reformation in Krefeld beginnt. Dies fällt direkt auf und ist misslich zugleich. Was in Krefeld seit Luthers Wittenberger Thesenanschlag geschehen ist, erfährt der Besucher so gut wie gar nicht. Weder in der Ausstellung noch in der anspruchslos aufgemachten Beschreibung. Wenn man sich als Auswärtiger zum Museum Burg Linn aufmacht, um zu erfahren, wie in Krefeld die Reformation verlaufen ist und worin sie sich von der Entwicklung etwa in den vereinigten Herzogtümern Jülich-Kleve-Berg unterscheidet, wird man bitter enttäuscht. Allerdings nicht von der Fülle der bibliographischen Kostbarkeiten.

            Von den insgesamt 58 ausgestellten Büchern stammen 10 aus der Sammlung Schram und 25 aus der Sammlung Stefan bzw. dem Leihgeber Ralf Günter Stefan, der neben Christoph Dautermann einer der Verfasser der 37-seitigen, eng bedruckten Beschreibung ist. Schließlich kennt niemand seinen Besitz besser als der Besitzer. Die restlichen Buch-Exponate stammen aus der ULB Münster, der Diözesan– und Dombibliothek Köln und der Bibliothek Museum Burg Linn. Die kostbaren und seltenen Druckwerke sind in Glas-Vitrinen untergebracht, sodass der interessierte Besucher gerade mal die Großbuchstaben lesen kann. Ein Hinweis, was auf der ausgestellten Seite zu lesen ist, fehlt. Stattdessen wird der Titel des Buches genannt. Und nun muss der Besucher seine verschütteten Lateinkenntnisse, sofern er sie überhaupt besitzt, reaktivieren. Noch in kleinerer Schrift als Training für die Augen werden Hinweise zum Drucker oder der Herkunft des Exponats angegeben. Ein Wechsel der Schriftgröße bieten die großformatigen Schilder über den Vitrinen, auf denen die Themen umrissen werden. Visuellen Genuss bieten allein die Drucke mit Bildern. Vor allem die Cranachs in Luthers „Biblia Deudsch“, eines von zwei Exemplaren, die sich im Besitz des Museums Burg Linn befinden. Eine gezieltere Ausleuchtung dieser Kostbarkeit und anderer Objekte hätte den Anschauungswert ungemein gesteigert. So muss das normale Oberlicht ausreichen.

            Gegenüber dem Eingang des Raumes, in dem die Ausstellung gequetscht ist, befindet sich in einer Vitrine ein Sammelsurium von Büchern. Der Besucher bleibt im Unklaren, was es damit für eine Bewandtnis hat. Außerdem befinden sich am Kopfende je drei Objekte aus lutherischen und katholischen Kirchen, die wohl den Unterschied zwischen den Glaubensrichtungen verdeutlichen sollen. Aber über deren Differenz wird der Besucher nicht aufgeklärt. Ratlos trotz der vielen Bücher kann man sich auf einer Kirchenbank erholen und in überholten Schriften zu Luther und die Reformation schmökern. Der Besuch der Krefelder Ausstellung ist sicher keine Sünde und muss keinesfalls aus dem „Buch des Lebens“ getilgt werden, aber einiges Mehr an inhaltlicher Substanz hätte man schon erwarten dürfen.

Stadtarchiv | Museum Voswinckelshof